Villa-Tour 2003

Langes Wochenende in der Villa Löwenherz

Endlich war es soweit, haben wir doch schließlich ein halbes Jahr diesem Termin entgegengefiebert. Die Vorfreude auf dieses Ereignis war den Teilnehmern in den letzten Wochen bereits deutlich anzumerken. Petrus allerdings, würde er heute leben, wäre sicher kein Motorradfahrer, dachte ich manches Mal, je näher der Startschuss bevorstand. Die Wetterprognosen verhießen nichts Gutes – ein Zurück gab es jetzt aber nicht mehr – also auf zum nächsten Hein Gericke und erst mal für regendichtes Schuhwerk und Klamotten sorgen. Wie sich später herausstellen sollte, war das ein gutes Omen.

Freitag, 14.30 Uhr, pünktlich am Treffpunkt bei Menne auf dem Hof, wurden wir erst einmal mit einer guten Tasse Kaffee versorgt. Ein paar Zigarettenlängen später, ein letzter Blick auf die verzurrten Klamotten und los ging es. Für die etwa 250 km lange Anreise war natürlich keine landschaftlich schöne Route geplant. Heute hieß es Kilometer machen. Vor uns lag ein strammes Stück Autobahn, das uns bis auf ca. 35 km unserem Ziel näherbringen sollte. Bis Dortmund lief alles einigermaßen easy. Das Stück durch Dortmund, mitten im Berufsverkehr, hat uns dann leider etwas langsamer vorankommen lassen. Nach dieser Hürde, wieder auf der Bahn, näherten wir uns unserem ersten Etappenziel Rastplatz Soester Boerde. Die drei K´s waren angesagt: Kaffee, Kippen, Klo. Mit unseren zehn Maschinen hatten wir einen recht imposanten Auftritt und kamen schnell mit interessierten Reisenden ins Gespräch. Ein freundlicher Trucker brachte dann die, gut gemeinte, aber überaus schlechte, Nachricht: Vollsperrung der Autobahn wegen eines Unfalls. Was also tun? Toni, der ein Radio im Gepäck hatte (dazu später mehr), vergewisserte sich und, obwohl man es eigentlich nicht glauben mochte, auch der Nachrichtensprecher hatte keine andere Information. Als Biker ist man ja Gott sei Dank sehr flexibel. Die Änderung unseres Plans sah vor, vor der Sperrung die Bahn zu verlassen um sie ganz gewitzt zu umfahren. Leider hatten wir die Rechnung ohne unsere findige Polizei gemacht. Die hatten nämlich die gleiche Idee und den kompletten Verkehr an genau dieser Ausfahrt umgeleitet. Ein ziemlich langer, schon fast ekliger, Stau war die unvermeidbare Folge. Zuerst waren wir uns nicht sicher, aber nach einer Zigarette, mitten auf der Autobahn, ohne Aussicht, dass es irgendwann weitergehen würde, quälten wir uns durch die Blechlawine. Am Ende des Staus angekommen, hob die Polizei prompt die Umleitungsempfehlung auf, was uns dazu verleitete, auf der Bahn zu bleiben. Schließlich wollten wir pünktlich zum Abendessen in der Villa sein. Es kam jedoch, wie es kommen musste, jetzt fuhren wir in den, durch den Unfall verursachten Stau, der offensichtlich doch noch nicht ganz beseitigt war. So konnten wir unser fahrerisches Können, mitten durch die enge Gasse der stehenden Fahrzeuge, ein zweites Mal unter Beweis stellen. Man glaubt manchmal nicht, wie breit ein Motorrad mit zwei Koffern an den Seiten sein kann. Alles klappte aber ohne Zwischenfälle und irgendwann war auch dieser Stau überwunden. Jetzt drehten wir noch mal kräftig am Gas, um wenigstens einen kleinen Teil der verlorenen Zeit wieder aufzuholen. Nachdem wir den Highway endlich verlassen konnten, bekamen wir einen ersten Vorgeschmack auf das, was uns landschaftlich erwarten würde. Das Weserbergland hieß uns mit seiner malerischen Landschaft herzlich willkommen. Die Straßen waren gesäumt mit dem saftigen Grün der Wiesen und dem leuchtenden Gelb der Rapsfelder. Die letzten km unserer Anreise vergingen wie im Flug. Gegen 19.00 Uhr hatten wir es dann tatsächlich geschafft. Umringt von hohen, kräftigen Bäumen stand sie da, die Villa und empfing uns im Antlitz der untergehenden Abendsonne. Ja, Abendsonne. Vielleicht habe ich Petrus vorhin Unrecht getan – bestimmt ist er zumindest mal Mofa gefahren.

Nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten, hieß es erst mal Essen fassen. Zum Glück sind wir noch rechtzeitig eingetroffen, so dass jeder eine ausreichende Portion von dem leckeren Krustenbraten mitbekommen hat. Das Wetter hatte sich gegen Abend sehr zum Vorteil verändert und wir konnten die ersten Bierchen, die hatten wir uns ja nun wirklich verdient, prima im Biergarten der Villa zu uns nehmen. Nach dem ersten folgte wenig später das zweite, dritte… – na ja, was soll ich jetzt ins Detail gehen – alle anderen Bierchen. Als es dann draußen doch ein wenig schattig wurde, wechselten wir in die Hausbar. Auch hier schmeckte das Bier außerordentlich gut. Der DJ spielte herzhafte Bikermusik und der Abend nahm seinen Lauf. Gegen drei Uhr wurden die letzten Motorradfreunde vom Personal ins Bett geschickt – war ja auch ein anstrengender Tag und morgen früh sollte es schließlich auf Tour gehen.

Die Vorfreude auf die Harz-Tour, die Wolfgang für uns aus dem reichhaltigen Angebot verschiedener Touren ausgesucht hatte, hat sicher mit dazu beigetragen, dass alle am nächsten Morgen einigermaßen fitt waren. Nach einem deftigen Frühstück ging es auf den 300 km langen Parcours durch das Weserbergland in den Harz. Die genaue Streckenführung kann ich leider nicht wiedergeben – nur so viel, es war landschaftlich das schönste was ich bisher gefahren bin. Für jedes Bikerherz war etwas dabei, langgezogene Kurven, spitze Kehren, rauf und runter – einfach super. An der Quelle zur Ruhme wurde erst einmal zu Mittag gegessen. Im Biergarten des Restaurants „Zur Quelle“ fanden wir unter schützenden Sonnenschirmen ein schattiges Plätzchen. Nach diesem oralen Vergnügen ging es wieder zurück auf die Piste. Das nächste Etappenziel war der Motorradtreff am Brocken. Grob geschätzt tummelten sich hier ca. 250 Motorradfahrer aller Kategorien, die ihre zum Teil bizarren Bikes gerne zur Schau stellten. Blickfang war sicherlich eine quitschgelbe Boss Hoss mit ihrem 8-Zylinder Chevymotor und ultracoolem Outfit (siehe Fotos).

Toni hatte es sich nicht nehmen lassen, eine kleine technische Spielerei mit ins Wochenende zu nehmen. Für die Erprobung eines nigelnagelneuen Kommunikationssystems habe ich mich gerne als Testpilot zur Verfügung gestellt. Der Empfang klappte im Großen und Ganzen recht ordentlich. Ab einer gewissen Geschwindigkeit stören allerdings die Fahrgeräusche des Helmes. Um sich jedoch innerhalb der Gruppe zu verständigen sind solche Geräte aber absolut empfehlenswert. Besonders gefreut habe ich mich über die Möglichkeit auch Radiosender empfangen zu können. So konnte ich den letzten Spieltag der Fußball Bundesliga hervorragend mit verfolgen ohne auf eine herrliche Motorradtour verzichten zu müssen.

Gegen 19 Uhr trafen wir wieder wohlbehalten in der Villa ein – ein leckeres Abendessen wartete bereits auf uns. Das obligatorische „Bierchen trinken“ fand bei diesem fantastischen Wetter natürlich wieder im Biergarten statt. Also meine Meinung über Petrus muss wohl leicht überdenken – während es zu Hause regnete wie aus Eimern, hielt er seine schützende Hand über uns – bestimmt hat er sich gerade für den Führerschein der Klasse 1 angemeldet.

Auch am Sonntagmorgen wurden wir sanft von Sonnenstrahlen geweckt, die durch das Fenster des „Kuckuck“ fielen, so hieß unser Zimmer. Nach dem Frühstück, mussten uns leider drei unserer Biker verlassen, da sie nicht zu spät zu Hause sein wollten. Die restlichen Sieben ließen es etwas ruhiger angehen und planten den Rückweg mit nur einem kurzen Stück Autobahn. Ab Anschlussstelle Möhnesee sollte es dann über Land Richtung Heimat gehen.

Bevor wir jedoch die Abfahrt erreichten, sollten wir noch Zeugen zweier historischer Ereignisse werden. Franz, der uns mit seiner CX 500 anführte, steuerte kurz vor der Abfahrt einen kleinen Parkplatz an. Prima Idee dachten die Raucher unter uns. An die Raucher hatte Franz allerdings nicht gedacht. Der Grund war ein ganz anderer – etwas, das unserem Franz in seinem ganzen Leben noch nicht passiert ist: Er hatte keinen Sprit mehr. Ausgerechnet jetzt, kurz vor dem eigentlichen Ereignis, auf das er sich schon so gefreut hatte. Seine treue Japanerin, die ihm nun schon achtzehn Jahre lang eine zuverlässige Begleiterin war, stand nur sechs Kilometer vor der Hunderttausender Marke. Nun ja, Franz durfte erst einmal auf dem Sozius von Reiner Platz nehmen, um an der nächsten Tankstelle neuen Treibstoff zu besorgen. Nachdem dann auch die Raucher, mehr als nötig, auf ihre Kosten gekommen waren und Franz Japanerin geduldig den Rüssel des Reservekanisters in sich aufnahm, ging es weiter. Nach den eben erwähnten sechs Kilometern war natürlich ein Zwischenstopp auf dem Standstreifen unvermeidlich, schließlich musste der Tachostand bei 99.999,9 km unbedingt im Bild festgehalten werden.

Der weitere Verlauf der Rücktour führte uns wie geplant zum Möhnesee, wo wir uns am hiesigen Motorradtreff eine kleine Stärkung in Form einer ausgezeichneten Currywurst gönnten. Eigentlich sollte es noch einen Abstecher zum „Cafe Hubraum“ geben. Darauf haben wir in Anbetracht der fortgeschrittenen Uhrzeit verzichtet. Die nächstgelegene Autobahn führte uns zurück ins heimische Kempen. Auf dem Buttermarkt fand ein absolutes Superwochenende sein Ende. Selten so viel gelacht, wie an diesen beiden Tagen. Es hat richtig Spaß gemacht und die Teilnehmer waren sich alle einig: im nächsten Jahr wird es eine Neuauflage geben. Auch Petrus gebührt ein großes Dankeschön – er muss ein Vollblutbiker sein – das gesamte Wochenende keinen einzigen Tropfen Regen. Wie Menne zu Beginn der Tour sagte: „Hoffentlich hast du viel Geld für deine Regenklamotten bezahlt, dann wirst du sie bestimmt nicht brauchen“. Ich kann damit leben.

Gruß Achim